Mit den Chicago Bears verbinden Football-Fans dominante Defenses - eher weniger dominante Quarterbacks. Tatsächlich sieht die Bears-Historie auf der wichtigsten Position im Football extrem düster aus. Der nächste in einer langen Reihe an Hoffnungsträgern: Caleb Williams.
Kommt trotz Schwankungen in der NFL immer besser an: Rookie-Quarterback Caleb Williams von den Chicago Bears. IMAGO/Imagn Images
Eine Saison mit mindestens 4000 Passing Yards ist für einen Quarterback in der modernen NFL beileibe keine Seltenheit mehr - genauso wenig eine mit 30 Touchdown-Pässen. 1967 durchbrach Jets-Legende Joe Namath als erster Spieler überhaupt etwa die Yard-Schallmauer, mittlerweile haben 72 (!) verschiedene Quarterbacks die 4000-Yards-Marke innerhalb von einer Saison durch die Luft erreicht.
Allein in der Saison 2016 waren es 13 Profis, also fast die Hälfte aller Starter. Und wenig überraschend haben Tom Brady und Peyton Manning dieses Kunststück am häufigsten geschafft, jeweils 14-mal. Letzterer hält auch den Rekord für die meisten Passing Yards in einer Saison mit 5477 Yards und 55 Touchdowns.
Was das mit den Chicago Bears zu tun hat? Nun ja … faktisch: nichts.
31 der aktuell in der NFL beheimateten Franchises haben mindestens einen Quarterback mit mindestens einer 4000-Passing-Yards-Saison in ihrer Historie vorzuweisen. Die einzige Ausnahme ist Chicago. Mehr noch: Die Bears hatten eben auch noch nie einen Quarterback, der in einer Saison mindestens 30 Touchdown-Pässe warf.
Die chronischen Quarterback-Probleme der Bears
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Dabei spielt das Team schon seit 1920 mehr oder weniger professionell Football, unter den heute noch aktiven Franchises können nur die Arizona Cardinals auf eine ebenso lange Geschichte zurückblicken. Die Quarterback-Historie in der "Windy City" gleicht aber einem Scherbenhaufen, die Probleme auf der wichtigsten Position im Football sind fast schon chronisch.
Zumindest seit dem Karriereende von Sid Luckman. Der Hall of Famer gilt als bester Bears-Quarterback der Franchise-Historie, er führte sein Team zu vier NFL-Championships (lange vor dem ersten Super Bowl) und gewann 1943 den MVP Award. Das ist der Knackpunkt: Seit 1950 warf er keinen Football mehr in einem professionellen Umfeld. Oder anders: Seit über 70 Jahren wartet Chicago auf einen neuen Quarterback-Star.
McMahon, Cutler ... und sonst?
Erfolgreiche Teams hatten die Bears seither durchaus, in allererster Linie wäre da der Super-Bowl-Triumph 1985 zu nennen. Doch unter dem legendären Coach Mike Ditka war es die Defense, die das Team zum Titel trug. Nicht umsonst feierte damals der Spitzname "Monsters of the Midway" ein Revival, die damals gefürchtete Bears-Abwehr ließ in der Saison 1985 im Schnitt nur 12,4 gegnerische Punkte pro Spiel zu, sammelte gleich fünf Touchdowns nach Interceptions oder Fumbles.
Quarterback Jim McMahon kam in derselben Saison übrigens auf 15 Touchdowns. Der heute 65-Jährige spielte sieben Jahre in Chicago in einer der erfolgreichsten Ären der Team-Historie, schaffte es immerhin einmal in den Pro Bowl. Auch deshalb liegt er im Ranking der besten Bears-Quarterbacks meist auf Platz 2.
Schlechtes Management, schlechte Trades, schlechte Drafts, schlechtes Coaching, Pech und Verletzungen.
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Danach kommt wohl schon Jay Cutler, der wie kaum ein anderer für Mittelmaß steht. In seiner Bears-Amtszeit holte er 51 Siege bei 51 Niederlagen - inklusive Playoffs lautet die Bilanz 52 zu 52. Seinen 154 Passing Touchdowns in acht Jahren stehen 109 Interceptions gegenüber, Ersteres ist ein Franchise-Rekord, Letzteres reicht für Platz 2. Dazu sorgte Cutler für Memes und verlor reihenweise gegen NFC-North-Erzrivale Green Bay (14 Duelle, 16 TDs, 22 Interceptions, nur zwei Siege bei zwölf Niederlagen).
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Joe Montana? Nein, danke
"Ich habe sechs Kategorien erstellt", erklärte der Autor und Sportjournalist Don Pierson einmal bei ESPN, warum es in Chicago nie so wirklich klappen sollte mit den Quarterbacks: "Schlechtes Management, schlechte Trades, schlechte Drafts, schlechtes Coaching, Pech und Verletzungen."
Kurzum: Bei den Bears kam alles zusammen. Ein weiteres Beispiel: Im Draft 1979 verzichtete Chicago in der 3. Runde auf einen gewissen Joe Montana (vier Super-Bowl-Siege als Legende der San Francisco 49ers), der es wohl mit Leichtigkeit in die Top 10 der besten Bears-Quarterbacks geschafft hätte. Stattdessen taucht dort unter anderem der Name Jim Harbaugh (von 1987 bis 1993 Bears-Quarterback, 50 Touchdowns, 56 Interceptions, Bilanz: 35-30) auf. Oder Erik Kramer, der in einer Saison immerhin mal auf 29 Touchdowns und 3838 Passing Yards kam. Und selbst Mitch Trubisky.
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Der aktuelle Backup bei den Buffalo Bills kam als 2. Pick des NFL Drafts 2017 als neuer Hoffnungsträger (Thema Draft: Patrick Mahomes ging im selben Jahr an Position 10 über die Bühne), konnte die Erwartungen aber nie erfüllen. Dennoch avancierte er zum ersten Pro-Bowl-Quarterback der Bears seit den 1980ern - nachdem 2018 zahlreiche andere Quarterbacks abgesagt hatten. Justin Fields, Hoffnungsträger 2.0 und Nummer-11-Pick im Draft 2021, hielt es nur drei Jahre in der Windy City.
Chicago Bears: Ist Caleb Williams die Lösung?
Eine langfristige Lösung soll nun Hoffnungsträger 3.0 darstellen: Caleb Williams. Er ist in der Super-Bowl-Ära, also seit 1967, der 57. Quarterback, der für die Bears ein Spiel startet - ein weiteres Indiz für die hohe Fluktuation auf dieser Position in Chicago.
Das Positive: Den Rookie-Rekord für die meisten Passing Yards im Bears-Trikot hat der 23-Jährige bereits sicher. Nach der knappen wie dramatischen Overtime-Niederlage gegen die Minnesota Vikings am Sonntag (27:30) steht Williams nun bei 2356 Passing Yards, der vorherige Rekord von Trubisky lag bei 2193 Yards. Mehr als Williams' aktuelle elf Passing Touchdowns hat ebenfalls noch kein Bears-Rookie in seiner Premierensaison geschafft.
Der Nummer-1-Pick im Draft 2024 kam mit jeder Menge Vorschusslorbeeren von USC ins Profitum: Heisman-Trophy-Gewinner 2022, Highlight-Fabrik, bestes Quarterback-Prospect der jüngeren Vergangenheit. Dazu stellten die Bears jede Menge Waffen in der Offensive um ihr neues Juwel.
Die Zwischenbilanz vor dem Thanksgiving-Spiel gegen den NFC-North-Rivalen Detroit Lions (Donnerstag, 18.30 Uhr) fällt gemischt aus. Nach einem überschaubaren Start sah Williams gegen schwächere Gegner sehr gut aus, überzeugte im schnellen Passing Game und mit seiner Beweglichkeit.
Gemischte Zwischenbilanz - aber jede Menge Potenzial
Probleme machten die anfällige Offensive Line oder auch die Entscheidungsfindung. Noch zu oft will er in einzelnen Spielzügen zum Helden werden, anstatt auch mal den Ball rechtzeitig ins Aus zu werfen. So zum Beispiel bei einem Sack in der Overtime gegen die Vikings - nachdem er zuvor eine furiose Aufholjagd mit elf Punkten in den letzten 1:47 Minuten der regulären Spielzeit angeführt hatte.
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Für einen jungen Quarterback sind die anfänglichen Schwierigkeiten aber nicht überraschend, zumal die Entlassung von Offensive Coordinator Shane Waldron mal wieder strukturelle Probleme in Chicago offenbarte. Die Niederlagenserie von mittlerweile fünf Spielen in Folge sollte auch keinen Bears-Fan das große Ganze vergessen lassen: Das Wichtigste für Williams sind die weiteren Entwicklungsschritte je mehr Erfahrung er in der NFL sammelt. "Er wächst vor unseren Augen", freute sich Head Coach Matt Eberflus nach dem Vikings-Spiel.
Seine insgesamt starke Leistung (32/47 für 340 Yards, zwei Touchdowns) und teils exzellenten Plays gegen eine gute Defense brachten ihm auch Lob vom gegnerischen Coach Kevin O'Connell ein. "Er wird immer besser und besser", merkte O'Connell, der als dauerhafter NFC-North-Kontrahent auch künftig zweimal pro Saison gegen Williams spielen muss, an. "Das wird eine Herausforderung." Und für die geplagten Bears-Fans ein Fest - sofern endlich mal alles gut läuft.
Philipp Jakob